In der Produktion ist die Multimomentaufnahme (MMA) aus meiner Sicht unverzichtbar. Mit ihr können nicht nur die sachlichen Verteilzeiten (tvs) ermittelt werden, sondern sie kann auch Potenziale zur Verringerung von Verschwendung aufzeigen. Diese Potentialanalyse sollte aus meiner Erfahrung vor jeder Verteilzeitermittlung einmal durchgeführt werden. So kann verhindert werden, dass ein nicht optimaler Zustand unter Umständen über Jahre als Verteilzeitzuschlagssatz in das System übernommen wird. Die Höhe der sachlichen Verteilzeit wirkt sich schließlich auf die Kalkulation, Planung und Steuerung, Ressourcenplanung und auf die Arbeitsplandaten aus. Im Leistungsentgelt mit der Vorgabezeit als Rechengröße wirkt sich die Höhe des Verteilzeitfaktors ebenfalls direkt auf das Ergebnis aus.
Anhand eines realen Beispiels aus der Produktion möchte ich die Vorgehensweise praxisnah erläutern.
In einem Industrie-Werk soll nach über 10 Jahren die sachliche Verteilzeit (tvs) neu ermittelt werden. Der ursprüngliche Zustand der Produktion hat sich in diesem Zeitraum sowohl technisch, als auch organisatorisch erheblich verändert. Zudem hat sich der Automatisierungsgrad aufgrund neuer Arbeitssysteme in Montage und Fertigung signifikant erhöht. Somit haben sich auch Arbeitsinhalte und deren Verteilung auf unterschiedliche Personengruppen verändert. Diese vielen Veränderungen, jede für sich als Verbesserung (KVP / KAIZEN) gedacht, können in Summe möglicherweise auch negativen Einfluss auf bestimmte Arbeitssituationen haben. Wie z.B. feste Regelungen für das Vorbereiten bei Schichtbeginn und Nachbereiten bei Schichtende.
Also bin ich mit einer Multimomentaufnahme als Potentialanalyse gestartet. Diese habe ich einschichtig an 5 Werktagen mit 30 Maschinen (teilw. mit Mehrmaschinenbedienung) durchgeführt. Es konnte ein Anlagennutzungsgrad von 55% ermittelt werden. Zudem konnte ich eine erste Abschätzung machen, wo die Potentiale zu suchen sind. Anhand der Häufigkeit, mit der bestimmte Vorkommnisse aufgetreten sind, konnte ein Maßnahmenplan zur Steigerung der Anlagennutzung erstellt werden.
Viel Potential war in der Schichtvorbereitung sowie Nachbereitung am Schichtende zu finden. Hier wurden z. B. Regeln definiert, wie viel Zeit für das Reinigen der Betriebsmittel aufgewendet werden darf. Nach einer einwöchigen Eingewöhnungs- und Trainingsphase wurde die Multimomentaufnahme erneut gestartet. Diese war für 4 Wochen angesetzt worden. Schon bei den wöchentlichen Zwischenauswertungen wurde eine Steigerung der Anlagennutzung festgestellt. Am Ende konnte eine Anlagennutzung von 66% nachhaltig realisiert werden. Eine Steigerung der Anlagennutzung um 11% und das bei 30 Maschinen im Dreischichtsystem.
Leser mit Erfahrung im Bereich Kostenrechnung können sich jetzt ungefähr vorstellen, dass diese Steigerung einen nicht unerheblichen monetären Effekt hatte.
Aber auch die anfangs beschriebenen wichtigen Größen (Kalkulation, Planung und Steuerung, Ressourcenplanung und Arbeitsplandaten) konnten durch den Einsatz der Multimomentaufnahme positiv beeinflusst werden.
Ronald Kochmann
Bildungsbeauftragter, REFA Nordwest e. V.
REFA Regionalverband Osnabrück-Münsterland-Niederrhein